18. Juli 2025

Wie mich meine letzte Kanu-Tour staunend zurückgelassen hat

Eine Kanu-Tour kann oft mehr Spaß machen als ursprünglich gedacht. Vor allem, wenn man mit der Familie on tour ist.
Eine Kanu-Tour kann oft mehr Spaß machen als ursprünglich gedacht. Vor allem, wenn man mit der Familie on tour ist.

Manche kennen es: Man hatte ein Erlebnis in der Jugend, das einen derart geprägt hat, dass man dazu ein ganz besonderes Verhältnis entwickelt. Bei mir war es das Kanufahren. Ich weiß es noch, als sei es gestern gewesen. Klassenfahrt. 10. Klasse.

Wir waren in Dresden. Eine wunderschöne Stadt mit viel Kultur. Aber natürlich wollte unser Lehrer uns noch etwas anderes bieten. Daher buchte er eine Kanufahrt auf der Elbe. Wir hatten alle Lust. Doch spätestens, als es hieß: „Die Zuverlässigsten bitte hinten sitzen!“ – und meine Freundinnen beschlossen, dass ich das sei, hätte ich skeptisch werden müssen.

Der Mann vom Kanuverleih erklärte uns, worauf es zu achten gilt und dass der, der hinten sitzt, eben lenken muss. „Ist total einfach!“ sagte er. Naja, wenn man es kann, ist alles einfach.

Mein „Einfach“ bestand darin, meine Freundinnen und mich direkt in den nächsten Busch zu lenken. Und den nächsten. Und den übernächsten. Irgendwann musste ich meinen „Zuverlässigkeitsposten“ räumen. Und genau das war sicherlich das Beste.

25 Jahre später… Kanufahren in Meck-Pomm

Man wird reifer, erwachsener… und gründet irgendwann selbst eine Familie. Wir waren letztes Jahr im Urlaub an der wunderschönen Mecklenburgischen Seenplatte. Dass man hier Kanu fahren kann, erklärt sich irgendwie von selbst. Meine Tochter war direkt begeistert, als sie erfahren hatte, dass das Ganze als Ausflugstipp angeboten wird.

Mein Mann auch. „Kann man doch mal machen!“ sagte er. Ich will nicht lügen. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt. Von der „blöden Tour“ und meinen Bekanntschaften mit allen Büschen am Rand der Elbe erwähnt. Aber es half nichts. Ich wurde überstimmt. Und irgendwie hätte auch ich es blöd gefunden, meiner Tochter diese Erfahrung zu verwehren. Immerhin könnte es sein, dass ich triumphierend am Tisch beim Abendessen sitzen und beiden, die nun auch keine Lust mehr auf Kanu haben, ein „Ich hab es euch gesagt!“ drücken könnte. Aber bis dahin war noch etwas Zeit. Dachte ich.

Mitten im Feld zwischen Mücken und Sonnenschein

Wir machten uns also auf den Weg zum Kanuverleih. Déjà-vu. „Und so lenkt man…“ sagte der Mann, der gerade dabei war, etwa 15 Familien „einzuchecken“. Ach ja, erzähl mir was Neues, dachte ich. Ich schielte zu meinem Mann und hoffte, dass er zuhört. Ich hatte schon lange resigniert.

Wohlwissend, dass ICH ganz sicher nicht der Kapitän des Schiffs sein wollte, setzte ich mich nach vorne. Wir ließen unser Bootchen zu Wasser. Und paddelten. Eigentlich funktionierte alles ganz gut.

Die Breite des Flusses war überschaubar und wir schafften es in 80 Prozent der Fälle, dorthin zu paddeln, wo wir auch wirklich hinwollten.

Gleichzeitig genossen wir die Natur. Manchmal etwas mehr als wir eigentlich wollten. „Mama, da ist ne RIIIIIIESENSPINNE auf deinem Rücken!“. Wer einmal mit einem Teenager-Mädchen unterwegs war, weiß, dass es hier viel Spielraum zwischen „kleinem Spinnchen“ und „Killer-Spinne aus dem Weltraum“ gibt.

Ich habe das Ganze nicht wirklich ernstgenommen. „Jaja, ist gut. Lass‘ sie sitzen.“

„Aber MAMA!“

Ich fühlte mich wie der coolste Mensch, der je in einem Kanu gesessen hat. Irgendwann sah ich eine – schon große – Spinne vor meinen Füßen auftauchen. „Ja, das ist die von deinem Rücken!“ meinte meine Tochter. Uff. Naja, Natur ist Natur und wenn ich mich so umschaute, war ich eher in IHREM Revier als sie in meinem. Ging also klar.

Unser Weg zum Ziel

Wir fuhren durch Schilf, über einen größeren See und durch enge Passagen. Und nach und nach bemerkten wir tatsächlich, dass wir immer besser zurechtkamen. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, zusammen mit seinen Lieben unterwegs zu sein, sich herauszufordern und sich so zu beweisen, dass man eine schlechte Erfahrung nicht sein ganzes Leben lang mit sich mittragen sollte.

Wir dümpelten also vor uns hin. Schauten uns Seerosen an, Enten und genossen hin und wieder die Stille. Letztere war vor allem der Tatsache geschuldet, dass wir doch etwas langsamer als der Rest unterwegs waren und die Familien mit den kleineren Kindern weiter vorne waren. Manche mögen es „bummeln“ nennen, für uns war es Entschleunigung.

Irgendwann sahen wir das Ufer, wo sich der Rest unserer Gruppe schon hingelegt hatte. Schön, dass wir nicht die einzigen waren, die ihre Knochen spürten. Wir zogen also das Kanu an Land, ich suchte mich nach Spinnen ab (sicher ist sicher) und wir fanden sogar noch einen schönen bemalten Stein, der heute noch auf meinem Schreibtisch liegt.

In diesem Moment kam auch schon der Mann vom Kanu-Verleih auf uns zu. „So, ihr könnt jetzt noch einmal die komplette Strecke zurückfahren oder wir laden die Kanus auf und fahren mit dem Auto zurück.“

Für diesen Tag hatten wir genug Kanu-Vibes gesammelt. Daher entschieden wir im Familienrat (dieses Mal einstimmig), dass der motorisierte Rückweg doch die bessere Option ist. In der Pension angekommen, wartete schon die Pensionsbesitzerin am Grill. Wir machten uns kurz frisch und erzählten den Daheimgebliebenen so begeistert von unserer Tour, dass sich einige von ihnen direkt am nächsten Tag aufmachten, um ebenfalls über Flüsse und Seen zu schippern.

Nochmal Kanu fahren? Warum eigentlich nicht?

Das Kanu ist alles andere als meine Komfortzone. Ich mag es nicht, wenn ich nicht weiß, was unter mir ist und fühle mich in einem Gefährt mit Lenker dann doch etwas sicherer.

Jetzt, mit ein wenig Abstand, würde ich allerdings sagen, dass ich Lust hätte, noch einmal mein Glück zu versuchen. Vor allem wegen des Perspektivwechsels. Es macht einen Unterschied, ob man vom Ufer auf das Wasser oder vom Wasser auf das Ufer schaut.

Zudem konnte ich den Spruch „Ich fühle mich so klein in der großen Natur!“ nie wirklich nachvollziehen. Bis zu meinen Stunden in der „Nussschale“. Und wer weiß? Vielleicht sind es gerade diese Momente, die einem die wichtigen Weisheiten des Lebens vermitteln? Du musst nicht immer alles unter Kontrolle haben, um glücklich zu sein. Wichtig ist es, immer weiterzumachen (bzw. zu paddeln), wenn du dein Ziel erreichen möchtest. Sonst bleibst du auf der Stelle und schaust dir dein ganzes Leben Seerosen an, obwohl die Welt doch noch so viel mehr bietet.